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Helbergs Versicherungsblog mit Schwerpunkt BU, Einkommenssicherung, Arbeitsunfähigkeit - viel gelesen und oft zitiert
25
Okt
2016

Berufsunfähigkeitsversicherung: Vom Ende der Gesundheitsprüfung

Kategorie: BU-Versicherung, Verbraucherschutz  ·  Autor: Matthias Helberg  ·  23 Kommentare

Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen will, muss viele Gesundheitsfragen des Versicherers beantworten.  Diese Form der Gesundheitsprüfung ist im Grunde am Ende.

 

Gesundheitsprüfung Bildquelle: colourbox.comAnders als die Gesetzliche Sozialversicherung, die (fast) jeden versichern muss, können Private Versicherungsgesellschaften auch „Nein“ sagen, wenn sich dort jemand versichern will. Im Gegenzug muss die Kalkulation der Versicherer in guten wie in schlechten Zeiten aufgehen. Tut sie es nicht, hilft nicht etwa der Staat mit Steuergeldern, sondern die Pleite droht.

 

Gesundheitsprüfung – die Theorie

Die Prüfung, ob ein Antragssteller versichert werden kann und falls ja, zu welchen Konditionen, erfolgt bei Kranken- und Lebensversicherungen in erster Linie durch die Fragen des Versicherers im Antragsformular, vor allem umfangreicher Fragen zur Gesundheit: Wer aus Sicht des Versicherers zu schlimme Vorerkrankungen hat, bekommt keinen Versicherungsschutz. Wer falsche oder unvollständige Angaben macht, riskiert seinen Versicherungsschutz, wenn das herauskommt. Soweit die Theorie.

 

2016: Gesundheitsprüfung absurd

Aus meiner Sicht geht das Jahr 2016 gerade als das Jahr in die Geschichte der Deutschen Versicherungswirtschaft ein, in dem die Gesundheitsprüfung in ihrer bisherigen Art und Weise ad absurdum geführt wurde. Dafür sind vor allem zwei Ereignisse und eine Tendenz ausschlaggebend.

 

BGH: Maximal 10 Jahre Sanktionsmöglichkeit bei Täuschung

Anfang des Jahres wurde ein BGH Urteil vom 25.11.2015 bekannt. Darin ging es um einen Mann, der beim Abschluss seiner Berufsunfähigkeitsversicherung nicht angegeben hatte, dass er bereits an Morbus Parkinson („Schüttellähmung“) litt. Sechseinhalb Jahre später wurde er wegen Parkinson und eines Gehirntumors tatsächlich berufsunfähig. Knapp 10 Jahre nach Abschluss stellte die Witwe des inzwischen Verstorbenen einen Leistungsantrag, wollte also rückwirkend die Berufsunfähigkeitsrente beantragen. Der Versicherer stieß auf die unterschlagene Schüttellähmung und fochte den Vertrag 10 Jahre und 4 Monate nach Abschluss wegen arglistiger Täuschung an. Zu spät, urteilte der BGH: Diese Möglichkeit haben Versicherer maximal 10 Jahre nach Vertragsschluss – danach nicht mehr. Wir merken uns:

Wer den Versicherer reinlegen will, braucht nur 10 Jahre Geduld.

Da hilft die beste Gesundheitsprüfung nicht.

 

Krankenkassen: Patienten werden in den Akten hinterrücks kränker gemacht

Anfang Oktober bestätigte Jens Baars, Chef der Techniker Krankenkasse, was Insider schon ahnten: Krankenkassen kontrollieren nicht etwa die von Ärzten gestellten Diagnosen auf Korrektheit. Nein, sie haben ein eigenes finanzielles Interesse daran, dass Patienten in den Akten kränker gemacht werden, als sie wirklich sind. Denn je mehr und je schlimmer die Diagnosen, desto mehr Geld bekommt die Krankenkasse. Das schafft Begehrlichkeiten. So kommen Patienten zu Diagnosen, die sie niemals gehabt haben – und von denen sie nur erfahren, wenn jemand die gespeicherten Diagnosen beim Arzt oder der Krankenkasse abfragt: Schlimmstenfalls ist das der Lebensversicherer, der im Leistungsfall überprüfen möchte, ob der Kunde beim Abschluss alle Angaben korrekt gemacht hat. Dem Patienten droht so der BU-GAU. Wir merken uns:

Aus finanziellem Eigeninteresse verminen Krankenkassen und Ärzte die Akten ihrer ahnungslosen Patienten.

Die Gesundheitsprüfung ist auch hier zum Scheitern verurteilt: Denn wem glaubt ein Versicherer wohl eher, den Bekundungen seiner Kunden, oder den von Ärzten erhobenen (und abgerechneten) Diagnosen?

 

Tendenz: Immer penibler, immer uneinheitlicher

In den letzten Jahren beobachten wir eine Tendenz, dass die Gesundheitsprüfung, zumindest in der Berufsunfähigkeitsversicherung, immer penibler wird: Mehr Fragen, mehr Nachfragen, mehr Belege, wie Befunde, OP-Berichte, Kurentlassungsberichte usw. werden angefordert. Gleichzeitig verstärkt sich die Tendenz, dass identische Vorerkrankungen vollkommen unterschiedlich bewertet werden. Regelmäßig bekommen wir von verschiedenen Versicherern bei gleichen Informationen von der Ablehnung bis zur Normalannahme die ganze Bandbreite möglicher Entscheidungen signalisiert. Das geht soweit, dass schon mal der gleiche Risikoprüfer eines Versicherers beim gleichen Kunden und identischen Angaben einmal eine Antragsannahme mit 25 % Risikozuschlag signalisiert und einmal mit 75% Zuschlag. Nachvollziehbarkeit? Transparenz? Glaubwürdigkeit?

Schon lange haben wir es aufgegeben, uns die Voten von Versicherern mit gesundem Menschenverstand erklären zu wollen.

 

Das Dilemma: Die Ehrlichen werden abgeschreckt, die Hinterhältigen nicht verhindert, die Leichtgläubigen ins Minenfeld geschickt

Wer heute insbesondere als gesetzlich Krankenversicherter eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen möchte, muss (!) seine Patientenakte bei Ärzten und Krankenkassen vorher prüfen, will er auf Nummer sicher gehen. Ein Riesenaufwand, der sich über Wochen oder gar Monate hinzieht und nicht selten das Vertrauensverhältnis zum Arzt belastet. Trifft man auf manipulierte Diagnosen, wie bei unseren Kunden etwa jeder fünfte, muss man um Korrektur kämpfen. Oder soll man etwa einen Leistungsausschluss oder einen Risikozuschlag akzeptieren für die Ausprägung einer Erkrankung, die man niemals gehabt hat – falls man nicht gleich eine Ablehnung kassiert? Wer hingegen bewusst lügt, ist nach 10 Jahren fein raus?

Die jetzige Form der Gesundheitsprüfung kann die Hinterhältigen nicht verhindern, dafür schreckt sie die Ehrlichen ab, bürdet ihnen zumindest einen Riesenaufwand auf. Hinzu kommt: Einem gebildeten und interessierten Menschen kann man die Problematik und passende Handlungsweisen aufzeigen – aber den anderen? Wer bleibt da eigentlich noch zu versichern? Die Leichtgläubigen und Ahnungslosen? Mag vielleicht auch das ein Grund dafür sein, warum branchenweit die Anzahl der BU-Versicherten nahezu stagniert?

 

Fazit: Es muss auch anders gehen

In Zeiten, in denen Sparvorgänge im Versicherungsmantel immer weiter an Bedeutung verlieren, gewinnt die Absicherung biometrischer Risiken, wie der Berufsunfähigkeitsversicherung, mehr und mehr an Stellenwert für die Lebensversicherer. Der Bedarf in der Bevölkerung ist unzweifelhaft gegeben. Wenn allerdings die Zuwächse im BU-Bereich deutlich hinter den Möglichkeiten und Erwartungen hinterherhinken, muss man sich fragen (lassen), woran das liegt. Die derzeitige Form der Gesundheitsprüfung gehört meines Erachtens klar dazu. Sie verursacht jede Menge Arbeit für die ehrlichen Kunden und Vermittler, hohe Kosten für die Versicherer – und wirkt anscheinend doch nicht so, wie sie sollte. Heute müssen wir davon ausgehen, dass die abgerechneten Diagnosen von Ärzten und Krankenkassen genauso arglistig vorgetäuscht sein können, wie die Angaben von Versicherungsbetrügern. Selbst wenn sich nun vielleicht im Gesundheitswesen etwas ändern würde: Glaubt eigentlich irgendjemand, dass alle gefälschten Diagnosen korrigiert werden (können)?

Wie können wir es einem viel größeren Teil der Erwerbstätigen erleichtern, hochwertigen, funktionierenden Versicherungsschutz zur Absicherung der Arbeitskraft zu bekommen und gleichzeitig den Lebensversicherern die Chance lassen, mit exakt dieser Dienstleistung Geld zu verdienen? Jedem Antragsteller eine obligatorische ärztliche Untersuchung vorschreiben und auf Gesundheitsfragen verzichten? Dürfte zu teuer sein – und die Ergebnisse womöglich auch nicht sehr zuverlässig (Stichwort Psyche). Der Schlüssel dazu liegt meines Erachtens eher in einer besseren Verteilung der Risiken zwischen Versicherten und Versicherern. Auch wenn ich mich wiederhole: Warum tauschen wir nicht Gesundheitsfragen gegen Wartezeit? Warum überlassen wir nicht den Kunden die Entscheidung, ob sie das Procedere einer Gesundheitsprüfung für sofortigen Versicherungsschutz auf sich nehmen, oder gegen (vielleicht gestaffelte) Wartezeiten tauschen wollen? Einfach so: Ohne schlechtes Gewissen, ohne Lügen, ohne Riesenaufwand, ohne absehbaren Stress mit den Ärzten – ohne Scheu vor einem Abschluss.

Ihre Meinung?

 

Kommentare zu diesem Beitrag

Bernhard Coerdt  |   25. Oktober 2016 um 11:15 Uhr

Ich bin da ganz bei dir Matthias und wäre auch für eine BU mit Karenzzeit bis zu 10 Jahren. Erspart uns viel Arbeit, wäre haftungssicherer und vor allem für den Kunden eine sichere Absicherung, Leistung ohne wenn und aber.
Aber ich denke den Versicherern geht es noch nicht schlecht genug und sie scheuen den Schritt.

Hans Steup  |   25. Oktober 2016 um 11:29 Uhr

… meine Meinung? Wenn Du so fragst … 🙂

Was ich mal gelernt habe, dass Versicherung sein soll, scheint Versicherung oft schon lange nicht mehr zu sein.

Bei einer Versicherung schließen sich ähnliche Leute zusammen, die von denselben Gefahren betroffen sind, um sich im Ernstfall gegenseitig finanziell zu unterstützen.

Dabei ist es egal, ob sich Dorfbewohner gegen Feuer versichern, eine Flotte gegen Piraterie oder Berufstätige gegen Berufsunfähigkeit.

Man braucht einen Leistungskatalog, ein bißchen Mathematik und einen Versicherer, der das ganze organisiert. Fertig.

Wenn ich im Dorf nur die Häuser gegen Feuer versichere, die in der Nähe eines Brunnens stehen und 100 Meter entfernt vom nächsten Haus, dann mache ich es mir als Versicherer zu einfach. Weil es nicht mehr um Ver-Sicherug geht, sondern um Gewinn-Maximierung.

Das ist der Sinn von mehrseitigen Kfz-Anträgen. Weil Beamte und Hausbesitzer angeblich vorsichtiger fahren … Wir alle erinnern uns noch an den Ladytarif der Telcon. Das ging so lange gut, bis man festgestellt hat, dass man bei der Tarifkalkulationen Äpfel mit Birnen verglichen hat.

Oder die gute alte Blockpolice. Hausrat, Haftpflicht, Rechtsschutz und Unfall-Versicherungen auf einem DIN A4 Bogen. Police sofort zum Mitnehmen. Das war 1988. Klasse!

Heute brauche ich Wertermittlungsmögen, Zusatzoptionen und weiß der Geier, um eine olle Hausratversicherung abzuschließen. Die Dinger sollte man am Zigarettenautomaten für einen Euro pro m2 kaufen können. Mit allem drum und dran – fertig.

Solange Versicherer den Versicherungsgedanken zugunsten der Gewinnmaximierung zurück stellen (oder weil der Vertrieb billige Prämien haben will), haben wir ein Ungleichgewicht bei den Abschlüssen. In fast allen Sparten.

Grüße vom Hans

Gerd Kemnitz  |   25. Oktober 2016 um 12:25 Uhr

Grundsätzlich finde ich die Idee gut.

Vielleicht fehlt noch ein Anreiz für den Verbraucher, die BU-Versicherung trotzdem noch so früh wie möglich abzuschließen. Anderenfalls würden vermutlich viele junge Menschen mit dem Antrag abwarten, bis erste Beschwerden signalisieren, dass der Beruf vermutlich doch nicht bis zum Renteneintrittsalter ausgeübt werden kann. Und das kann dann auch nicht im Interesse der Versichertengemeinschaft sein.

Matthias Helberg  |   25. Oktober 2016 um 12:48 Uhr

Schönen Dank für den Kommentar, Bernhard!

Matthias Helberg  |   25. Oktober 2016 um 12:52 Uhr

Hallo Herr Kemnitz, schönen Dank für die Anregung! Mir geht es hier auch nicht darum, die perfekte umsetzbare Regelung inklusive Klauselformulierung abzuliefern 😉 . Es geht mir mehr um den Denkanstoß. Vielleicht wäre genau Ihre Überlegung so eine Art erster Schritt: Wer maximal 30 Jahre alt ist, kann alternativ zur Gesundheitsprüfung eine Wartezeit (außer für Unfall-BU, da sofortiger Versicherungsschutz) vereinbaren. Da wären viele Interessenten und viele Eltern erleichtert & motiviert, oder?

Matthias Helberg  |   25. Oktober 2016 um 12:53 Uhr

Schönen Dank für den Beitrag, Hans!

Michael Schreiber  |   25. Oktober 2016 um 13:47 Uhr

Hallo Matthias,

wirklich ein klasse Artikel! Richtig gut! Eine blitzsaubere Analyse zur Situation in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung!

Einzig im Fazit stimme ich nicht überein, aber man schreibt ja auch nicht, damit alle einer Meinung sind. Im besten Fall entsteht eine echte Lösung oder zumindest ein erster bedeutender Schritt dahin.

Ob sich der Trend zur Individualisierung aber wirklich umkehren lässt oder dies sogar zwingende Folge der sich zeigenden Entwicklung ist… nun ja, ich wage es zu bezweifeln. Versicherungen verdienen so doch unterm Strich in den meisten Sparten noch viel besser.
Das heißt im Umkehrschluss, dass Kunden insgesamt mehr zu zahlen haben.

Die Entwicklung kann sich ohne staatlichen Eingriff erst dann umkehren, wenn die unversicherten Risiken einen sehr viel bedeutenderen Umfang annehmen. Ich sehe aber nicht, dass Versicherungen im Bereich BU-Versicherung auf breiter Front umsatzmäßig notleidend wären.

Schöne Grüße aus Freiburg,
Michael

Bernhard Wehrle  |   25. Oktober 2016 um 13:50 Uhr

Matthias,
wie immer auf den Punkt gebracht. Auch der Kommentar von Hans trifft das Ganze sehr gut.
Seit einigen Jahren vertrete ich persönlich die Meinung, dass 95 % aller Vorstände von LV-VR eigentlich wegen erweisener Unfähigkeit gefeuert werden sollten.
Innovationen – Fehlanzeige
Versicherungsgedanke gelebt – Fehlanzeige
Service am Bestands-Kunden – Fehlanzeige
Mitarbeiter die nicht verstehen, dass Kunden letztendlich die Gehälter bezahlen
Schäden werden nur noch bilanziel als Verbindlich betrachtet (Stichwort Gewinnmaximierung)
usw usw
Auch der aktulle Trend, dass man nach dem Gesetzgeber ruft um (Vertriebs-)-Kosten zu senken – und dann stellen wir Makler fest:
Die Kosten (Courtagen) werden bei uns drastisch reduziert – komischerweise kommt davon aber nichts beim Kunden an. Stichwort: Gewinnmaximierung
Fakt ist, dass die Ehrlichen bestaft werden – der Solidargedanke in der BU nimmer vorhanden ist – und am Ende das Tages diese wirklich notwendige Absicherungslösung kundenseitig aus berechtigten Gründen nicht mehr nachgefragt wird. Und bei gesetzlich vorgeschriebener Hinweisverpflichtung auf das unbestritten vorhandene Risiko aus den schon beschriebenen Gründen abgelehnt wird (die zahlen ja eh nicht – die prozessieren nur – usw. usw.)
Und der Treppenwitz dabei ist, dass der Gesetzgeber durch Kürzungen und Änderung in der GRV hier einerseits den gesetzlichen Absicherungswert gegen „Null“ setzt gleichzeitig aber bei der Thematik „Abrechnungs-„Fehler“ (es sind ja immer Fehler – niemals Betrug!) nichts aber rein gar nichts (so bislang meine Wahrnehmung) unternimmt.
Auch in der Politik ist der „Versicherungs“-Gedanke irgendwie nimmer vorhanden (vlt. darin begründet, dass Politiker eine selbst eine vergleichsweise Luxus-Absicherung selbst haben?).
Vermissen tue ich gerade den Aufschrei der Verbraucher-Schützer. Komisch, wenn man sie mal brauchen würde – herrscht Stillschweigen. Schade nur, dass dies die Verbraucher nicht registrieren.

Mach bitte weiter so – die Hoffnung stribt bekanntlich ja zuletzt 😉

Matthias Helberg  |   25. Oktober 2016 um 14:26 Uhr

Hallo Michael, schönen Dank für den Kommentar: Meinungsvielfalt ist gut 🙂

Matthias Helberg  |   25. Oktober 2016 um 14:39 Uhr

Hallo Bernhard, schönen Dank für den Kommentar! Was institutionelle Verbraucherschützer angeht: Der Skandal passt vielen wohl nicht ins Weltbild. Eigentlich sind ja Versicherer böse, Vermittler sowieso und am schlimmsten sind Provisionen. Rettung naht nur in Form einer Sozialversicherung. Und nun das: Finanzielle Eigeninteressen der GKV, systembedingte Manipulationen, vollkommen unterschätzte Risiken für Verbraucher!? Im Laufe der Jahre haben sich viele anscheinend in ein falsches Feindbild verrannt. Das tut weh, wenn man’s merkt. Der einzige, der aus der Riege bislang überhaupt reagiert hat (so dass es mir aufgefallen ist), war Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten. Das darf man dann hier auch (ehrlich gemeint) lobend erwähnen.

Wolfgang Otto  |   26. Oktober 2016 um 18:58 Uhr

Ein sehr guter Beitrag, Herr Helberg und vor allem: Sie denken neu. Wobei es m. E. darauf ankommt, sich an ganz altes „Versicherungswissen“ zurückzuerinnern. Herr Steup hat das auf den Punkt gebracht. Die Versichertengemeinschaft steht im Vordergrund, nicht der Gewinn der Versicherer. Und dazu braucht man dann vor allem etwas Statistik. Wie jeder Anfänger weiß, führen zu kleine Mengen, wie wir das bei der Tiefendifferenzierung der Berufe haben, zwangsläufig (!) zu falschen Kalkulationen, weil sie dem Zufall Tür und Tor öffnen. Das ist übrigens in der Kfz-Sparte ganz genauso. Versicherung hat eben sehr viel mit Statistik, weniger mit Juristerei und ganz wenig mit Gewinnmaximierung zu tun. Nur so kommen wir weiter!

FH  |   27. Oktober 2016 um 13:59 Uhr

Guten Tag Herr Helberg,

ich bin 48, halte mich für einen durchschnittlichen Versicherungskunden mit einem etwas überdurchschnittlichen Sicherheitsbedürfnis und bin zufällig auf Ihren Blog hier aufmerksam geworden.

Mit 24 habe ich abgeschlossen:
Rentenversicherung bis Alter 60
Prognose damals
360 TDM Abfindung
oder Rente 2.400 DM / Monat
Prognose heute
105 T€ Abfindung
oder Rente 550 € / Monat

Mit 29 abgeschlossen BU bei der Mannheimer
Die war 3 Jahre später pleite

Mit 32 abgeschlossen
PKV Vollversicherung ( Conti. GS01PLUS)
BU Versicherung mit End Alter 57 (Conti.), weil ja o. g. Rente da war

Mit 42 abgeschlossen (weil o. g. Rente nicht in vollem Umfang zustande kommt)
BU Anschlussversicherung Absicherung Alter 57 bis 67 (AXA)

Insgesamt, denke ich habe ich nicht sehr viel falsch gemacht, aber meiner Erfahrung nach ändern sich die Rahmenbedingungen über einen solchen Zeitraum drastisch. Getroffene Prognosen waren schlichtweg falsch weil zu gut !

Was sich in der gesetzlichen Rentenversicherung in dieser Zeit getan hat, wissen Sie.

Gut, für mich persönlich heißt das:
Conti BU Vertrag ist schon über 10 Jahre alt (bis 57)
AXA BU Vertrag wird im 52 Lebensjahr 10 Jahre alt

Die Verträge sind somit sicher, allerdings bin ich mir auch sicher dass die Angaben in den Anträgen alle korrekt waren.

PKV bin ich noch in der „alten Welt“, bei einem ordentlichen Versicherer und auch nie in einem „Billigtarif“ gewesen, im Worst Case mit Anspruch auf den Standardtarif.

In Summe stehe ich noch ganz ordentlich da, aber wenn ich heute nochmal 24 wäre, ich wüsste wirklich nicht was ich machen würde.

Aktuell kommt das Thema „Bürgerversicherung“ ja wieder. Ich bin kein Freund dieser Versicherung. Die BU gehört für mich allerdings zwingend wieder in die gesetzliche Rentenversicherung und nicht in die Hand privater Versicherungsunternehmen.

Versuche der Regierung, die Altersvorsorge z. T. in den privaten Bereich zu verlagern, sind doch auch gescheitert.

Gruss

FH

Matthias Helberg  |   27. Oktober 2016 um 15:04 Uhr

Hallo Herr Otto, schönen Dank für den Kommentar! Das Thema der Differenzierung (in allen Sparten) und der Berufsgruppen (in der BU) kommt zu der Sache mit der Gesundheitsprüfung noch hinzu, da gebe ich Ihnen Recht.

Matthias Helberg  |   27. Oktober 2016 um 15:09 Uhr

Hallo FH, schönen Dank für den Kommentar. Das ist exakt die Lage, die sich die privaten Versicherer vor Augen führen müssen: Wenn es die Branche nicht schafft, flächendeckend zu versichern, wird sich der Gesetzgeber etwas einfallen lassen. Bei einer Anerkennungsquote von um die 50% für die Erwerbsminderungsrente der Gesetzlichen Rentenversicherung würde ich persönlich allerdings auch nicht allzuviel Hoffnung auf sie setzen…

Rainer  |   28. Oktober 2016 um 09:47 Uhr

Warum nicht die Prämie für die BUV nehmen und in einen ETF-Sparplan einzahlen.

Ich sehe folgende Vorteile:
1. Bringt auch Ertrag wenn man nicht berufsunfähig wird.
2. Keine Abhängigkeit von Arzt und Versicherung
3. Motiviert vielleicht etwas gesünder zu leben (Sport, Ernährung, etc.)

…aber das Risiko?

Bitten Sie doch die Versicherung darzulegen, wie viel % der Versicherten berufsunfähig geworden sind und welche Beträge – im Verhältnis zum Eingezahlten – an diese ausgezahlt werden.

Wetten wir, dass Sie keine Information bekommen werden!

Matthias Helberg  |   28. Oktober 2016 um 13:39 Uhr

Hallo Rainer, vielen Dank für den Kommentar. Für den, der heute 3.000 EUR brutto verdient und nur noch 20 Jahre bis zur Rente hat, geht es bei der Absicherung der Arbeitskraft um 720.000 EUR. Da wünsche ich viel Geduld beim Sparen. Einige Leistungsbeispiele unserer Kunden siehe -> https://www.helberg.info/blog/2012/02/so-klappt-es-rente-bei-berufsunfaehigkeit-kommt/. Für diejenigen, die es trifft, spielt Statistik keine Rolle: Denn es ist unerheblich, ob man einer von 20%, von 10%, oder der einzige auf der Welt ist. Es stellt sich dann nur noch die Frage, wie es weitergeht. Das hat man in dem Fall entweder geregelt, oder nicht…

Holger Jortzik  |   29. Oktober 2016 um 10:46 Uhr

Hallo Herr Helberg,
richtige und zeitgemäße Gedanken. Gerade erst in der vergangenen Woche von zwei Kunden in der Beratung Absicherung der Arbeitskraft nach Warte-, bzw. Karenzzeit gefragt worden. Die waren etwas ungläubig darüber, dass nach Gesundheitsprüfung, Versicherungsschein und Zahlung Erstbeitrag sofort Versicherungsschutz in voller Höhe besteht. Mit einer Antwort a la steigender Versicherungsschutz nach gestaffelten Wartezeiten hätten beide Kunden ziemlich sicher gut leben können.

Ich stelle eine mitunter ausufernde Gesundheitsprüfung fest und greife mittlerweile gern auf die mobile Gesundheitsprüfung meines Vertragspartners zurück. Haftungssicher und Save für Vermittler und Kunde. Der Aufwand ist für den Kunden überschaubar. Das Risiko ebenfalls, da keine Gesundheitsfragen zu beantworten sind und der VR sich allein mit dem Bericht des Dienstleisters für seine Annahmeentscheudung begnügt.

Harald Thummet  |   31. Oktober 2016 um 13:51 Uhr

Hallo Matthias,
Du triffst den Nagel auf den Kopf. Danke!
Alle sind sich darüber einig, dass die „BU“ unverzichtbar ist, sogar Verbraucherschützer und die Regierung. Der Gesetzgeber könnte dies zum Anlass nehmen, einen Kontrahierungszwang einzuführen.
– Neugeborene: Anwartschaft auf BU ohne Wartezeit und Gesundheitsfragen.
– 1-9 jährige: Anwartschaft auf BU mit 10 Jahren Wartezeit ab Beendigung der Anwartschaft. Keine Gesundheitsprüfung
– ab 10: 10 Jahre Wartezeit, keine Gesundheitsprüfung
Eine Rückkehr zum Solidaritätsprinzip und Abkehr von der vermeintlicher Rosinenpickerei auf Basis falscher Diagnosen wäre die Folge. Ganz nebenbei bekäme die BU infolge der Durchdringung der gesamten Bevölkerungsschichten den Stellenwert, den sie eigentlich haben sollte.

Kunde  |   5. November 2016 um 16:47 Uhr

Hallo,

als interessierter Versicherungskunde sind das sehr nachvollziehbare Gedanken. Was bringt mir aber eine Wartezeit von, sagen wir, 10 Jahren, wenn der Leistungsfall in. 5 Jahren eintritt?!? Dann stehe ich doch auch ohne Leistungen und mit nichts da, selbst wenn ich augenscheinlich einen guten Schutz hätte – oder habe ich ein Verständnisproblem? Es kann doch nicht das Ziel sein eine Wette auf 10 Jahre abzuschließen und zu hoffen dass der Leistungsfall nicht eintritt…

Matthias Helberg  |   5. November 2016 um 17:37 Uhr

Hallo Herr Jortzig,
ist für einen Makler kaum praktikabel, da wir die Annahmeentscheidung des Versicherers kennen (wollen) müssen, bevor wir einen Kunden dortin bringen.

Hallo Harald,
Danke für die Vorschläge. Gern mehr davon!

Hallo Kunde,
schönen Dank für den Kommentar! Daher der Vorschlag, als Kunde die freie Wahl zwischen Gesundheitsprüfung und Wartezeit zu bekommen. Die Wartezeit kann man vermutlich auch staffeln nach Ursache: Bei Unfall keine Wartezeit, für plötzliche Krankheitsereignisse (wie Herzinfarkt, Schlaganfall) eine kürzere Wartezeit, für sich lang anbahnende Krankheiten (Bewegungsapparat, Psyche) eine längere Wartezeit. Je jünger jemand beim Abschluss ist, desto interessanter ist die Wartezeit. Wenn man 40+ ist, würde ich auch 3x überlegen. Wir können gern weiter Ideen sammeln. Wenn dieser Beitrag dazu beiträgt, ist schon viel erreicht.

FH  |   8. November 2016 um 14:59 Uhr

Hallo nochmal,

ich hatte mich oben schon mal zu Wort gemeldet …..

Die hier geführte Diskussion zeigt doch, dass die Versicherungswirtschaft nicht in der Lage ist (oder nicht will) die BU abzusichern. Sie pickt sich gute Risiken heraus, Ziel ist doch erkennbar Geld zu verdienen und nicht die BU abzusichern. ….

Da werden Themen mit 10 Jahren Wartezeit, Gesundheitsfragen etc. diskutiert.

Was soll soetwas …..

Meiner Meinung nach muss der Dachdecker heute eine bezahlbare BU haben. Ohne Wartezeiten, ohne Risiken in den Verträgen da kaum einer seine gesundheitliche Vorgeschichte kennt, etc.

Meiner Meinung nach geht das nur mit einem „großem“ Kollektiv und auch dem Willen die BU für den Arbeitnehmer abzusichern.

Das macht die Versicherungswitschaft nicht.

Ich habe Schreiben von Versicherung vorliegen, in denen es sinngemäß heisst: „Aufgrund geänderter Rahmenbedingungen: müssen die Beitrge angepasst (natürlich nach oben) werden“ oder „die prognostizierte Ablaufleistung wird nicht erreicht“.

Schreiben, die bereits nach 9 Jahren eines 34 Jahre lang laufenden Vertrages kommen.

Scheinbar ist doch die Versicherungswirtschaft nicht mal in der Lage 10 Jahre ins Voraus zu schauen geschweige denn genau diese Risiken im Sinne des Kunden zu Managen …..

Schauen wir uns die letzten 30 Jahre an …

Mauerfall
Finanzkrisen
Kriege
Europa
Internet
Industriewandel (4.0)

Mit meinen 48 jahren Lebenserfharung kann mir keine Versicherung mehr Klar machen, dass Sie in meinem Sinne all diese Veränderungen Managen kann und ich mich als Kunde auf all die gemachten Aussagen verlassen kann.

Warum nicht eine gut ausgebaute gestezliche Rente mit BU, im Umlageverfahren und jeweils auf die politischen Rahmenbedingungen angepasst.

das geht ja bis zu zur Vermögensumverteilung (und hier wirds politisch)

Wäre vor 20 Jahren absolut nicht meine Meinung gewesen ……

persönlich bin ich nooch gut „durschgerutscht“, konnte sich öffnende Risiken gut nachversichern.
Mit 60 werde ich sehen, wo ich stehe, und ich habe immer Zeit und auch Geld in diese Themen investiert.

Aber ein grosser Bevölkerungsteil ist heute dazu nicht in der Lage ….

Gruss
FH

Matthias Helberg  |   13. November 2016 um 15:07 Uhr

Hallo FH,
schönen Dank für den ausführlichen Beitrag!
Ich stimme Ihnen zu, dass sich vieles in den letzten Jahren geändert hat und Dinge passiert sind, die man sich niemals zuvor vorstellen konnte. Aus meiner Sicht ist es auch logisch, dass das sowohl private Versicherungen, als auch die Sozialversicherung tangieren muss.
Was mir nicht einleuchtet, ist ein Vorwurf, irgendjemand wolle Geld verdienen. Daran gibt es meiner Meinung nach nämlich nichts vorzuwerfen. Wir alle müssen Geld verdienen: Sie, ich, Stiftung Warentest, Journalisten, Ärzte – alle. Und Versicherer eben auch. Jeder, der schon einmal ein Unternemhen geführt hat, weiß, wie schwierig das mit dem Verdienen sein kann – und wie wichtig Rückstellungen etc sind, die man eben nur dann bilden kann, wenn auch ein Plus da war. Was im Gegensatz dazu sicherlich absolut nicht in Ordnung ist, ist die Art von Profitmaximierung, wie wir sie derzeit so oft sehen.
Die Hoffnung auf eine tolle, selbstlos arbeitende Sozialversicherung für alle ist eine Vision, mehr nicht. Dazu reicht ein Blick in die Realität auf den aktuellen Abrechnungsdiagnosen-Skandal der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die AOK Rheinland wurde gerade deswegen immerhin zu 7 Mio. € Strafe verdonnert. Patienten werden wegen finanzieller Eigeninteressen falsche Diagnosen untergeschoben – das gibt es bei privaten Versicherern nicht.

Die Idee der Wartezeit für eine BU stammt übrigens aus der Gesetzlichen Rentenversicherung, wo 5 Jahre Wartezeit für eine Erwerbsminderungsrente erreicht sein müssen – trotz Pflichtmitgliedschaft. Deren Anerkennungsquote bei Anträgen auf eine Erwerbsminderungsrente: Um die 50%…

Michael  |   17. November 2016 um 19:45 Uhr

Die Versicherer sollten einen Tarif anbieten in dem eine ärztliche Untersuchung ggf. inkl. Psyche erfolgt diese sollte dann verbindlich für beide Seiten sein, und keine Anfrage mehr im Leistungsfall nach der Vorgeschichte bei der Krankenkasse gestellt werden, alternativ ein Antrag ohne Gesundheitsfragen mit 10 Jahren Wartezeit. Aber was ich noch viel schlimmer finde ist das “ BU Rating „. Ich habe mal gelesen das eine geringe Leistungsprozessquote auch zurückgeführt werden kann auf viele Ablehnungen der beantragten Leistungen. Also was soll diese Quote dann noch im BU Rating ?! Das ist doch irreführend für den Verbraucher, suggeriert Leistungsbereitschaft die ggf. gar nicht da ist.

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