HIS – das Hinweis- und Informationssystem der Deutschen Versicherungswirtschaft – soll Versicherungsbetrug bekämpfen und „die Risikoprüfung effizient gestalten“. So jedenfalls der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV. Nur blöd, wenn Ihre Daten dort rechtswidrig gespeichert werden.
„Verbrauchernah und transparent“ werde das HIS „als Auskunftei entsprechend den Maßgaben des Datenschutzgesetzes betrieben“, so der GDV. Schließlich sei das im Jahr 2011 aus der GDV Sonderwagnisdatei hervorgegangene HIS in enger Zusammenarbeit mit den Datenschutzbehörden entstanden. Wie transparent das HIS tatsächlich ist, können Sie leicht selbst herausfinden.
Wie transparent ist das HIS?
Hier habe ich eine kleine Testaufgabe für Sie. Bitte recherchieren Sie, wie lange im HIS Daten zu Ihrer Person gespeichert werden, wenn Sie einmal wegen des (auch versuchten) Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung „eingemeldet“ wurden.
Gern gebe ich Ihnen dazu ein bisschen Hilfestellung. Vielleicht suchen Sie auf den folgenden Seiten?
- Erstmal bei Wikipedia gucken? (Und dann feststellen, dass der dortige Eintrag etwas verstaubt ist.)
- Beim aktuellen Betreiber des HIS, der informa Insurance Risk and Fraud Prevention GmbH, recherchieren? (Einem Tochterunternehmen von Bertelsmann, wodurch sich auch der E-Mail-Absender HIS-Office(et)Bertelsmann.de erklärt, von dem aus gelegentlich Anfragen beantwortet werden.)
- Beim GDV nachsehen, die sollten es wissen. (Vielleicht finden Sie die Antwort gar in der speziellen GDV-Broschüre „Das Hinweis- und Informationssystem der deutschen Versicherer (HIS) – Was es ist und was es leistet“ ?)
- Auf twitter fragen?
Wenn Sie also selbst recherchiert haben und als Antwort irgendetwas zwischen „vier Jahre“, „bis zu vier Jahre und 364 Tagen“ und “ Höchstspeicherdauer zehn Jahre“ gefunden haben, sind Sie auf der richtigen Fährte. Exakt wäre die Antwort vermutlich jedoch nicht. Und sie findet sich auch nicht in den oben genannten Quellen. Völlig transparent finden wir sie nur im Code of Conduct Datenschutz des GDV. Dort heißt es im Artikel 14 Absatz 2:
In allen Sparten wird der Datenbestand in jeweils zwei Datenpools getrennt verarbeitet: in einem Datenpool für die Abfrage zur Risikoprüfung im Antragsfall (A-Pool) und in einem Pool für die Abfrage zur Leistungsprüfung (L-Pool).
Und weiter im Absatz 7:
Die im HIS gespeicherten Daten werden spätestens am Ende des 4. Jahres nach dem Vorliegen der Voraussetzung für die Einmeldung gelöscht. Zu einer Verlängerung der Speicherdauer auf maximal 10 Jahre kommt es in der Lebensversicherung im Leistungsbereich oder bei erneuter Einmeldung innerhalb der regulären Speicherzeit gemäß Satz 1. Daten zu Anträgen, bei denen kein Vertrag zustande gekommen ist, werden im HIS spätestens am Ende des 3. Jahres nach dem Jahr der Antragstellung gelöscht.
Hätten Sie also im Jahr 2006 wegen des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit Erschwernis einen Eintrag bekommen, keinen weiteren Antrag gestellt und auch noch keinen Leistungsantrag gestellt, müsste Ihr Eintrag am 31.12.2010 gelöscht worden sein. Aber wurde er es tatsächlich?
Fehler im HIS – Folgen für den Kunden
Bevor nun unisono der Hinweis aus der Versicherungswirtschaft ertönt, kein HIS Eintrag führe zu einer Antrags-Ablehnung, bitte weiterlesen, liebe Feunde:
Ein Kunde, der tatsächlich im Jahr 2006 einen BU-Vertrag nur mit einer Erschwerniss angeboten bekommen hatte, wollte es in diesem Jahr neu mit einer BU-Aktion ohne Gesundheitsfragen versuchen. Alle Antragsfragen konnten risikomindernd beantwortet werden. Seit 2006 gab es keine weitere Antragsstellung und keinen Leistungsfall. Selbst wenn es damals einen HIS-Eintrag gegeben hätte, wäre dieser längst zu löschen gewesen.
Was macht der neue Versicherer als erstes bei der Risikoprüfung? Eine HIS-Abfrage – und findet den Eintrag aus 2006. Das führt dazu, dass der Aktionsantrag mit den vereinfachten Gesundheitsfragen nicht mehr akzeptiert wird. Der Kunde müsse einen Antrag mit umfassenden Gesundheitsfragen ausfüllen und die damaligen Gründe für die Erschwernis erläutern – die vermutlich auch heute noch zu einer Erschwernis wie einem Leistungsausschluss führen würden. Der Kunde ist durch den fehlerhaften nicht gelöschten Eintrag klar benachteiligt und potentiell geschädigt: Denn ohne einen Treffer im HIS hätte der neue Versicherer den Antrag wohl anstandslos policiert.
„Die Betreiberin der HIS Datei hat somit rechtswidrig gehandelt.“
Nach meinem Verständnis wäre ich ein schlechter Versicherungsmakler, wenn wir eine solche Benachteiligung unserer Kunden einfach so hinnehmen würden. Also haben wir dafür gesorgt, dass der zuständige Datenschutzbeauftragte für das HIS, der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg, eine entsprechende Beschwerde erhielt.
Dessen Antwort vom 15.10.2014 (eine Kopie des Schreibens liegt hier vor) ist eindeutig:
„§ 35 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 des Bundesdatenschutzgesetzes schreibt vor, dass Wirtschaftsauskunfteien – dazu gehört auch das HIS – spätestens nach vier Jahren, beginnend mit dem Kalenderjahr, das auf die erstmalige Speicherung folgt, zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Speicherung vorliegen. Dies wäre in Ihrem Fall der 31. Dezember 2010 gewesen. Für eine Fortsetzung der Speicherung gab es zu diesem Zeitpunkt keinen Grund. Die Betreiberin der HIS Datei hat somit rechtswidrig gehandelt. Wir haben sie darauf mit der gebotenen Deutlichkeit hingewiesen.“
Einzelfall oder Fehler im HIS -System?
Die ganze Brisanz dieses Falles offenbart sich durch die Stellungnahme der Informa gegenüber dem im Jahr 2006 einmeldenden Versicherer, der wiederum durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg zu einer Stellungnahme aufgefordert wurde. Im Schreiben vom 08.08.2014 (das hier vorliegt) zitiert der Versicherer Informa: Aufgrund des vorliegenden Vorgangs habe man festgestellt, dass man im HIS-System eine Abweichung zu Angaben in den aktuellen HIS-Anwendungshinweisen habe. Laut dieses Anwendungshinweises gelte in der Sparte Leben im A-Pool die übliche Speicherdauer von 4 Jahren + laufendes Kalenderjahr und im L-Pool 10 Jahre. Weiter wird Informa zitiert:
„Im HIS-System haben wir allerdings in der Sparte Leben einheitlich die ursprünglichen Fristen von 10 Jahren umgesetzt. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Speicherfrist anzupassen.“
Zu Deutsch: Alte Eintragungen vor 2011 im Bereich Leben wurden anscheinend nicht differenziert, sondern pauschal mit einer 10 Jahres-Speicherfrist in das neue HIS übernommen. Ob das inzwischen wohl repariert ist, oder nach wie vor vielleicht zig tausende Betroffene rechtswidrig gespeichert sind?
Fazit zum Datenschutz und dem HIS
Ganz offensichtlich haben wir hier einen Fehler im HIS-System aufgedeckt, von dem vielleicht zig tausende Verbraucher betroffen sind – oder waren. Zwar wird man nie Fehler vollkommen vermeiden können. Und eine Datenmigration, also eine Umstellung von einem EDV-System auf ein anderes, ist eine ganz wunderbare Gelegenheit, Fehler zu erzeugen. Dass hier eine solche Fehlerquelle allerdings anscheindend immerhin seit 2011 unentdeckt blieb, ist unverständlich.
Einmal mehr sind wir bestätigt darin, zum Schutz unserer Kunden so vorsichtig wie möglich vorzugehen. Wer beispielsweise eine neue Berufsunfähigkeits- oder Risikolebensversicherung abschließen will und sich nicht sicher ist, ob es Eintragungen zu seiner Person im HIS gibt, sollte die Möglichkeit der kostenlosen Selbstauskunft nutzen – bevor ein Antrag gestellt wird.
Und einmal mehr freuen wir uns über jeden Versicherer, der grundsätzlich nicht mit dem HIS zusammen arbeitet.
Reaktionen:
Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) vom 30.10.2014:
Zur Pressemitteilung der NOZ (Nachtrag vom 12.10.20: Leider nicht mehr online).
Kommentare zu diesem Beitrag
HerrTenhagen , der getarnte Versicherungsverkäufer,
hat vor zwei Tagen kundgetan, das alle Makler nicht seriös arbeiten. Dafür sind Sie Herr Helberg das richtige Beispiel. Ich hoffe Sie mich richtig verstanden.
Von Herrn Tenhagen, oder allen anderen hoch gepriesenen Verbraucherschützern habe ich in dieser Hinsicht noch nichts gehört, obwohl das Thema hinreichend bekannt ist.
Leider werden wir keine Plattform bekommen, wo
wir unsere seriöse Arbeit darstellen können.
Deshalb müssen wir die Plattformen selber schaffen, Herr Gierhartz.
Hervorragende Arbeit Herr Hellberg. Es gibt Kollegen denen man für Ihre, sehr häufig unentgeltliche, Arbeit einfach nur Respekt und Anerkennung zollen muss. Sie sind einer von diesen Kollegen. Machen Sie weiter so!
Andreas Fischer
Hallo Herr Helberg, Gratulation zur Recherche! Mit diesem Beitrag haben Sie sich nächsten Award verdient. Weiter so!
🙂 Dankeschön!
Und jetzt weiß ich wieder mal mehr, warum ich so gerne hier arbeite. Bin mit Freude und Stolz dabei 🙂
Denke, dass es Elmar da genauso geht!
Sehr schöner Artikel mit gründlicher Recherche. Als Versicherungsmakler staune ich über Ihren umfangreichen Blog. Hat Ihr Tag mehr als 24 Stunden ?
Hallo Alexander,
ja, wir hängen einfach immer noch ein paar Stunden hinten dran. 😉
Herzliche Grüße
Matthias Helberg
Hallo Herr Helberg,
ich bin durch die R+V Versicherung ins HIS eingetragen worden, da sie mir Versicherungsbetrug vorwarf. Diie Versicherung erstattete Anzeige gegen mich. Doch an der Verhandlung kam ans Licht, dass hier einen komplott verschiedener Zeugen und einer Privatdetektei die die R+V beauftragte wurde vorhanden war. Ich wurde freigesprochen durch Antrag der STA und RA.Doch die R+v hatte das Urteil nicht abgewartet sondern in eigener Regie mich ans HIS gemeldet.
Inzwischen war ich bei der SV Versicherung. Diese Lehnt nun die Schadensregulierung eines Sturmschadens ab, da ich im HIS eingetragen bin.
Was soll ich jetzt machen.
Gruß
Bernhard Amann
Hallo Herr Amann,
vielen Dank für den Kommentar. Ich würde mich als erstes an den Versicherer wenden, den Eintrag im HIS zu löschen. Wenn man das nicht macht, ab damit zum Anwalt. Viel Erfolg.
Moin, ich habe das Spiel auch mitgemacht. Durch einen Unfall 2010 da in den Verdacht geraten und eine Lawine ausgelöst. ADAC ( Zurich) Versicherung war Haftpflichtversicherer des Gegners……Strafverfahren, Analytiker, Gerichtsgutachter, Freispruch „aus tatsächlichen Gründen“. BaFin, Vorstände ADAC und Zurich…alles in Bewegung gesetzt. Über Akteneinsicht einen Hammer und einmalige Story erfahren. Ein Vollidiot des ADAC hat wohl versehentlich alle Unterlagen an die Polizei geschickt, die aus eigenen „Ermittlungen“ zusammengetragen worden waren. Über Akteneinsicht bin ich derer habhaft geworden. Eine sicher einmalige Sache…..Diskriminierungskarikaturen von Anspruchstellern als Bettler,Arbeitslose und Rumänen, jeweils als Deckblätter in der Akte. Vorstandsmails, sowie Aufträge an Privatschnüffler , alles dinglich in den Händen. Sogar handschriftliche Vermerke wie “ hat keinerlei Rückrufnummern oder Spuren hinterlassen“.
Und und und……….Ich bin im Besitz einmaligen Aktenmaterials………………..
Alles letztendlcih auch wegen der HIS-Geschichte….. Wenn ich die mir in die Hände gefallenen Dokumente sehe, eröffnet sich einem deren -interne- Vorgehensweise……..
Ich muß mal sehen, wie das nun alles noch gehandhabt wird……… Gruß AK
RESPEKT auch hier an den Betreiber für die gute Arbeit!!
Übrigens, die Diskriminierungskarikaturen mit namentlichen Bezug zum Anspruchsteller, habe ich sowohl bei der BaFin als auch der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vorgelegt. Die Reaktion des ADAC darauf war, der zuständige Mitarbeiter sei sanktioniert worden (könnte man doch mal prüfen-oder istr er befördert worden?), es seien engmaschige Aktenkontrollen und Schulungen durchgeführt worden und es handle sich um einen Einzelfall..-……Genau, extra und einmalig für uns hat man sich das so professionell angelegt, wie ich es vorliegen habe………..Genau!!
Die Art und Aufmachung zeugt klar davon, dass die karikaturelle Darstellung von Anspruchstellern an sich bereits derart vorgenommen wurde. Das ist ganz klar systemische Handhabung . Die haben sicher engamschige Kontrollen gemacht, um diese Dinger aus vielen anderen Akten zu entfernen. Sicher hat man so tausende von Anspruchsteller dargestellt bzw. diskriminiert, wie oben beschrieben.
Man hat mir sicher nicht aus Spaß 12000 Euro angeboten zur aussergerichtlichen Beilegung, was ich abgelehnt habe…….und leider habe ich dann bis zum OLG kein Recht mehr bekommen und vorm BGH die Klage zurückgezogen.
Das waren allerdings nicht mehr die durch Freispruch gefordertzen Ansprüche, sondern Standgebühren, die alles was es jemals diesbezüglich gab, übertroffen haben….Aber wie gesagt, die Gerichte sahen das nicht so. Somit blieb es bei den durch den Freispruch erzielten Ansprüchen, ohne die saftigen Standgebühren……..
Klingt verzwickt. Ist es auch. Gruß AK
Nachtrag zum Threadthema :
Das völlig grundlose Sammeln von Daten über Personen und Gegenstände, ist doch sogar laut Vorratsdatenspeicherung verboten.
SO kann JEDER da „angesammelt“ werden und ist damit latent im VIsier .
Es gibt keinen Grund bei Autounfällen Daten der Beteiligten anzulegen und zu archivieren, ausser man hat die Vermutung, Beteiligte könnten sich strafbar machen.
So müßte man als Polizei grundsätzlich jeden Autofahrer aufnehmen ( im Sinne von Kameraaufzeichnungen) dürfen, da er ja irgendwann mal entweder selbst ein Unfallflüchtiger sein könnte oder werden kann oder zur Aufklärung in einem solchen Fall beitragen könnte. Ich persönlich habe ganz starke Bedenken, ob diese Archivierungspraxis mit klarer „Pejorativität“ von der Intention her, rechtlich überhaupt darstellbar ist.
Eigentlich müßte man das über die BaFin untersagen können, wenn nicht gar über ein Gericht opder die EU.
Warum werde ich abgespeichert, wenn MIR einer reinfährt???
Erst jetzt passiert wieder im November- und die Generali läßt mich die HIS-Eintragung wissen.
Das kann irgendwie rechtlich nicht haltbar sein.
Ich denke sogar, dass Verbraucherschützer tief geschlafen haben, dass so eine Institution geschaffen werden konnte.
Das grundlose Sammeln von Daten von Unfallbeteiligten kann nicht rechtens sein, wenn da JEDER reingeraten kann.
Andersrum aber , kann es auch nicht sein, dass die Versicherungswirtschaft Kriterien für die EInbringung selbst erstellt und handhabt.
Wie gesagt, der Datenschutz muß schon ne Binde mit drei schwarzen Punkten tragen und ne Gans darüber, wenn sowas in D möglich ist und praktiziert wird.
Eigentlich bin ich sehr betroffen ob dieser zum Himmel schreienden Rechtsverbiegung-bzw. Anwendung.
Das Wort Diskriminierung ist noch das mildeste im Vokabular, das mir einfällt.