Altersvorsorge für Selbstständige? Die Bundesregierung plant ein ganzes Bündel von Gesetzesänderungen („Rentenreformpaket“), die die Altersvorsorge in Deutschland betreffen. Ein besonders auffälliger Punkt dabei ist eine verpflichtende Altersvorsorge für Selbstständige. Begründet wird dieser Schritt mit einer geringeren Abhängigkeit von Grundsicherungsleistungen im Alter und einer Anpassung an die Rechtslage im Ausland. Und so soll die neue Rente ausehen:
Altersvorsorge für Selbstständige wird Pflicht – Die Merkmale
- Die Altersvorsorgepflicht soll für alle Selbstständigen gelten, mit Ausnahme derer, die bereits jetzt in der Gesetzlichen Rentenversicherung, der Künstlersozialkasse oder einem berufsständischen Versorgungswerk Pflichtmitglieder sind;
- Selbstständige im rentennahen Alter (über 50-Jährige – vermutlich bei Einführung des neuen Gesetzes) sowie nebenberuflich oder geringfügig bis 400 Euro pro Monat verdienende Selbstständige sollen von der Vorsorgepflicht ausgenommen werden;
- Für heute bereits selbstständig Tätige zwischen 30 und 50 Jahren, die vorgesorgt haben bzw. vorsorgen, soll es Ausnahme- bzw. Befreiungsregelungen geben;
- Die Pflicht zur Vorsorge soll bis zur Höhe einer Basisabsicherung gelten (ca. 700 EUR / Monat);
- Die Altersvorsorge und ihre Erträge sollen nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar werden. Die Alterssicherung soll zwangsweise ausschließlich als Rente ausgezahlt werden können;
- Die „besondere Situation von Selbstständigen“ solle durch Möglichkeiten zur flexiblen Beitragszahlung und durch Beitragsfreiheit in der Existenzgründungsphase berücksichtigt werden. Durch Erleichterungen in der Einstiegsphase sollen Unternehmensgründungen nicht gefährdet werden;
- Im Gegenzug zur Einführung einer generellen Altersvorsorgepflicht sollen bisherige Versicherungspflichtregelungen für Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung abgeschafft werden (insbesondere die Handwerkerpflichtversicherung);
- Die Altersvorsorgepflicht soll „operativ zentral durchgeführt werden“. Als „Kompetenz- und Wissensträger“ biete sich die Deutsche Rentenversicherung Bund an.
Quelle für den Artikel Altersvorsorge für Selbstständige wird Pflicht, der Zwangs-Rürup kommt: http://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Pressemitteilungen/rentenreform-maerz-2012.html – leider inzwischen verschoben.
Wieviel Kapital braucht man für 700 EUR Rente im Monat?
Falls Sie sich nun fragen, wie viel Kapital man denn für 700 EUR Rente im Monat ansparen muss, hier meine kleine Daumenregel: Für 100 EUR lebenslange Rente, etwa ab Alter 65 beginnend, benötigen Sie grob kalkuliert 20.000 EUR. Wer 700 EUR Rente absichern will (oder muss) benötigt also das 7 fache: 140.000 EUR. Wie gesagt: Eine Daumenregel, aber eine, mit der man nach meiner Erfahrung ganz gut klar kommt.
Verpflichtende Altersvorsorge für Selbstständige: Der Zwangs -Rürup
Angedacht ist offenbar ein Wahlrecht, das auch Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung zulässt, also in ein Umlagesystem: Heute einzahlen an die heutigen Rentner in der Hoffnung, es gibt auch morgen noch genügend Einzahler, die einem dann die eigene Rente finanzieren.
Die angedachten Merkmale „nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar“ sind Merkmale der heute bereits existierenden „Basis-„, oder „Rürup“ -Rente. Zu Deutsch: Das aus eigenen Mitteln stammende Kapital des jeweiligen Einzahlers wird ihm dauerhaft „abgenommen“, er hat keinerlei Verfügungsgewalt (bei Rüruprenten sogar kein Kündigungsrecht) und kann nur hoffen, dramatisch lang zu leben, denn nicht einmal zu vererben gibt es dabei etwas. Auch als Sicherheit, z.B. für die Bank (was bei Selbstständigen durchaus einmal notwendig sein kann) ist das angesparte Kapital nicht zu gebrauchen. Kommt also nun ein ideales Produkt für Banken und Versicherungen mit Zwangs-Einzahlung und ohne Exit-Möglichkeit – außer bei Tod? Offenbar nein, denn sie soll ja ‚operativ und zentral‘ von der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführt werden. Dort konnte die Politik schon immer viel bequemer eingreifen…
Der Zwangs-Rürup: Selbstständige als neue Geldgeber für Staatsschulden?
Interessant wird sicherlich auch, ob es noch weitere Vorschriften für die Kapitalanlage geben wird: Kann man als Selbstständiger selbst bestimmen, wie das eigene Geld angelegt werden soll, oder kommt vielleicht noch eine Vorschrift, das Geld zu mindestens X % in europäische Staatsanleihen investieren zu müssen? So abwegig erscheint mir dieser Gedanke in Zeiten der nicht endenden Schuldenkrise nicht…
Um das klar zu sagen: Jeder sollte für das Alter vorsorgen. Die Frage ist nur, ob man Freiheit & Selbstbestimmung des Einzelnen dafür dermaßen radikal abschaffen muss?
Wie ist Ihre Meinung? Freue mich über ein Statement von Ihnen!
Nachtrag vom 27.06.2013: Petitionsausschuss stoppt Versicherungspflicht
Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags hat sich überraschend deutlich gegen die Pläne von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ausgesprochen, Selbstständige zu verpflichten, sich gesetzlich oder privat für das Alter abzusichern.
Nachtrag vom 06.12.2012: „Nicht mehr diese Legislaturperiode“
„Die Altersvorsorge für Selbstständige kommt nicht mehr in dieser Legislaturperiode“, sagte Dr. Annette Niederfranke gestern auf der Bundesvertreter-Versammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) in Berlin.“ meldet heute das Versicherungsjournal.
Nachtrag vom 09.08.2012 zum Artikel ‚Altersvorsorge für Selbstständige wird Pflicht, der Zwangs Rürup kommt‘
Das Bundesministerium von Frau BM von der Leyen hat offenbar nun einen entsprechenden Gesetzentwurf den anderen Ministerien vorgelegt, das Bundeskabinett soll sich noch im August darüber verständigen. Hier die Presse-Info zum Gesetzesvorhaben, bei dem der „Zwangs-Rürup“ nur ein Baustein ist: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Pressemitteilungen/rentendialog-gesamt-pdf.pdf?__blob=publicationFile (Vom BMAS leider verschoben). Die unten genannte Petition wurde von über 80.000 Personen mitgezeichnet und befindet sich nach Informationen des Deutschen Bundestages „in der parlamentarischen Prüfung“.
Nachtrag vom 22.05.2012: Online-Petition gegen verpflichtende Altersvorsorge hat Hürde von 50.000 Unterschriften deutlich überschritten
Online-Petition gegen verpflichtenden Zwangs-Rürup für Selbstständige hat Erfolg: http://www.fr-online.de/politik/umstrittene-plaene-zur-rente–online-aufruhr-gegen-von-der-leyen,1472596,16088392.html
Nachtrag vom 15.05.2012: Von der Leyen beauftragt McKinsey
Die Süddeutsche meldet, Bundesarbeitsministerin von der Leyen habe eine Machbarkeitsstudie zum Thema an das Beratungsunternehmen McKinsey vergeben. Mit der Vorsorgepflicht für Selbständige werde „Neuland betreten, für das auch die DRV keine umfassende Expertise hat“. Na dann…
Nachtrag vom 14.05.2012 zum Artikel ‚Altersvorsorge für Selbstständige wird Pflicht, der Zwangs Rürup kommt‘
Es gibt zwischenzeitlich eine Petition an den Deutschen Bundestag gegen diesen Plan der Altersvorsorge-Pflicht für Selbständige. Die Petition kann bis 22.05.2012 gezeichnet werden. Zur Petition Keine Rentenversicherungspflicht für Selbständige (deaktiviert, da abgelaufen).
Vielen Dank für das Lesen dieses Artikels Altersvorsorge für Selbstständige wird Pflicht.
Kommentare zu diesem Beitrag
Nun ja, eine Altersvorsorgepflicht für Selbständige macht sicherlich Sinn. Letztlich liegt es in der Tat zwingend in der eigenen Verantwortung von Unternehmern, Selbständigen und Freiberuflern, für ausreichend Liquidität im vorzusorgen. Letztlich stimme ich aber vollends darin zu, dass es nicht Zile sein kann, dass der Gesetzgeber hierbei restriktive Produktvarianten vorgibt. „Als Rente ausgezahlt“ und „Altersvorsorge und deren Erträge nicht vererbar, nicht beleihbar, nicht …“ läßt tatsächlich absolute Parallelen zu Rürup und Riester erkennen, die eine Flexibilität selbst in der Leistungsphase vermissen lassen. Dass hierin eine Beitragshöhe zu wenigstens der Höhe der Basisabsicherung zudem noch vorgegeben wäre… Letztlich bleiben mit dieser gesetzlichen Offensive in der Liquidität und Ansparphase keine „Taler“ mehr zur Investition in innovative bzw. vorteilhaftere Vorsorgen übrig. Mal wieder ein Ding der Unmöglichkeiten des BMAS und unserer „bürgernahen“ Ministerin von der Leyen.
Frank Marggraf, Unternehmensberater und GründerCoach, Berlin
Wenn das mal nicht vor dem Verfassungsgericht landen wird, so wie viele andere unsinnigen politischen Entscheidungen!
Absoluter Unsinn von Ministerin von der Leyen, da ist noch sehr viel Nachbesserungsbedarf! Man kann die Menschen nicht zwingen ihr Geld in einer Sache anzulegen, hier die Zwangsrente, und dann auch noch mit den Regeln von Rürup! Da kann man gleich sein Geld aus dem Fenster werfen!
A. Mumber, VB Kanzlei Mumber & Associates
Kanzlei f. Versicherungsrecht & Versicherungsberatung
Wohl dem, den über der Altersgrenze liegt – puh, nochmal Glück gehabt. Ansonsten, die gute Ministerin nervt …
Ich kann nur hoffen, dass sich diese Angelegenheit aufklären wird. Ich hätte massive Probleme mich auch noch um eine private Altersvororge zu bemühen.