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04
Feb
2011

Tchibo, Saturn & Co: Tippgeber Versicherung oder Versicherungsvermittler?

Kategorie: Verbraucherschutz, Versicherungsvertrieb  ·  Autor: Matthias Helberg  ·  3 Kommentare

Wir sind nur Tippgeber - meint Tchibo und möchte nicht die Pflichten eines Versicherungsvermittlers erfüllen - so der Eindruck. Tippgeber Versicherung?Anläßlich des Wirbels, den Handelsketten wie Tchibo und Saturn in letzter Zeit mit dem Online-Angebot von Versicherungen des Kölner Direktversicherers Asstel verursacht haben, stellt sich die Frage: Tchibo, Saturn & Co: Tippgeber für eine Versicherung oder Versicherungsvermittler?

Stellen Sie sich zwei Seiten im Internet vor: Auf beiden Seiten können Interessenten über einen Link zu dem Tarifrechner eines bestimmten Versicherers gelangen und dort ohne weitere Beratung oder Rückfrage online einen bestimmten Versicherungsvertrag, zum Beispiel eine Privathaftpflichtversicherung, abschließen. Das geht schnell, ist einfach, erfordert kein persönliches Erscheinen und kann rund um die Uhr erledigt werden. Und da niemand gern umsonst arbeitet, bekommen beide Anbieter der  verlinkenden Seiten im Erfolgsfall (Vertrag kommt zustande) eine Vergütung des Versicherers.

Nun aber dies: Während der Anbieter der einen Seite einen Sachkundenachweis, ein polizeiliches Führungszeugnis, eine Auskunft aus dem Gewerbezentralregister, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes, Auszüge aus dem Schuldnerverzeichnis und dem Insolvenzregister nachweisen muss, sowie eine Berufshaftpflichtversicherung und damit eine Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer  einholen muss, bevor er tätig werden darf  – benötigt der Anbieter der anderen Seite: Nichts von alledem?

„Nichts von alledem“ – will oder wollte man offenbar bei Tchibo erfüllen – aber anscheinend dennoch am vermittelten Versicherungsvertrag mitverdienen und behauptet(e) daher, nur als „Tippgeber“ tätig geworden zu sein. Tippgeber Versicherung – eine nicht nachvollziehbare Position.

Stellen wir uns das Bild einfach ohne Internet vor: Eine Ladenpassage mit einem Versicherungsladen und daneben einem Kiosk. In beiden Läden findet man auf der Theke Plakate mit Versicherungswerbung und gedruckte Versicherungsanträge für ebenfalls eine bestimmte Privathaftpflichtversicherung. Von den Plakaten prangt jeweils die Aufschrift “SOFORT PROFITIEREN!  UNSER TIPP: RICHTIG VERSICHERT, RICHTIG GESPART!” Im Kiosk geleitet man den Abschlusswilligen sanft mitsamt Antrag und Kuli einen Schritt vor die Ladentüre und gibt noch einen an den Versicherer adressierten Rückumschlag mit.  Im Versicherungsladen geschieht das Gleiche. Sollte sich der Kiosk anschließend darauf berufen können, er wäre nur als Tippgeber Versicherung tätig geworden, während den Inhaber des Versicherungsladens sämtliche Auflagen und Pflichten eines Versicherungsvermittlers treffen?

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz Viola Rust Sorge, Partnerin der Schindhelm Rechsanwaltsgesellschaft mbH, Hannover schreibt:

„Die Frage, wann eine Vermittlungstätigkeit nach § 34 d GewO vorliegt, ist auf der Grundlage der Verordnung 2002/92 EG zu beantworten. Hiernach ist eine Versicherungsvermittlung bereits das Anbieten, Vorschlagen oder die Durchführung anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall. Diese weite Definition entspricht dem Ziel der Richtlinie sowie der gesetzlichen Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts, welches den Verbraucherschutz in den Vordergrund stellt und insbesondere vor Falschberatung schützen soll.“

Und weiter:

 „Es könnte danach sachgerecht erscheinen, jede auf den Abschluss oder die Änderung eines konkreten Versicherungsvertrages gerichtete Tätigkeit als erlaubnispflichtige Versicherungsvermittlung einzuordnen. Dazu gehören dann auch Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf ein bestimmtes Produkt bzw. einen bestimmten Vertrag, auch Beratungen, die nicht immer zum Vermittlungserfolg in Form des Abschlusses oder der Änderung eines Vertrages führen.“

Was sonst passiert(e) bei Tchibo und Saturn?

Tchibo hatte sich bereits am 30. April 2010 beim Landgericht Hamburg unter Az. 408 O 95/09 ein Urteil eingehandelt, in dem es heisst: „Die Klage ist vollen Umfangs begründet.“ Unter Randnummer 36 heisst es darin:

„Vom  Versicherungsvermittler abzugrenzen ist der sog. Tippgeber, der gesetzlich nicht geregelt ist. Der Tippgeber vermittelt dem Interessenten lediglich an einen Vermittler oder einen Versicherer. Die Nennung von Abschlussmöglichkeiten und die Anbahnung von Verträgen stellen demnach keine Vermittlung dar, wenn sie als vorbereitende Handlungen nicht auf eine konkrete Willenserklärung des Interessenten zum Abschluss eines Vertrages, der Gegenstand der Vermittlung ist, abzielen. Von dem Tippgeber, der nur Kontaktdetails weitergibt, erwartet ein potentieller Versicherungsnehmer keine Beratung (vgl. LG Wiesbaden, NJW-RR 2008, 1572 mit Hinweis auf BT-Dr 16/1935, S. 17).“

Tchibo ging in Berufung, um den Status als Tippgeber für Versicherungen anerkannt zu bekommen, die Verhandlung vor dem OLG Hamburg steht noch aus. Der Imageschaden, den Tchibo und nun auch Saturn durch das aus Sicht des Verbraucherschutzes zweifelhafte eigene Gebahren erlitten haben, dürfte nicht zu verachten sein. Dabei hätte man sich ganz einfach auf Banner-Werbung von Asstel beschränken können… 

 

Nachtrag vom 13.12.2012 zum Artikel „Tchibo, Saturn & Co: Tippgeber Versicherung oder Versicherungsvermittler?“

Wie heute bekannt wurde, hat Tchibo auch in zweiter Instanz vor dem OLG Hamburg verloren.  „Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat die Berufung der Tchibo Direct GmbH gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Hamburg zurückgewiesen, wonach Tchibo verboten wurde, über ihr Internetportal Versicherungen zu vermitteln und Finanzdienstleistungen anzubieten, ohne hierfür eine gesetzliche Genehmigung zu haben
(Az. 408 O 95/09).“ Tchibo kann nun noch vor dem BGH in Revision gehen. Zur AfW Pressemitteilung (Nachtrag vom 03.08.2017: Anscheinend nicht mehr online, war es unter www.my-experten.de/upload/exp12pdf00009006.pdf.

 

Nachtrag vom 04.02.2013 zum Artikel „Tchibo, Saturn & Co: Tippgeber Versicherung oder Versicherungsvermittler?“

Wie heute bekannt wurde, geht Tchibo nun auch vor den BGH in Revision, (Az. 408 O 95/09). Was steht da wohl im Vordergrund: Der Vorteil für die Verbraucher, oder die eigene nicht regulierte Tätigkeit als Tippgeber einer Versicherung?

Kommentare zu diesem Beitrag

Christoph Huebner  |   7. Mai 2011 um 14:39 Uhr

Sehr interessante Einschätzung, die ich auch voll teile. Aber auch, wenn man sich an die Regeln des Gesetztes hält, scheint es nicht so ganz einfach zu sein, wie ein netter Artikel über uns im Versicherungsjournal zeigt:
http://www.versicherungsjournal.de/vertrieb-und-marketing/tippgeber-mit-provisionsbeteiligung-107882.php

Matthias Helberg  |   9. Mai 2011 um 18:54 Uhr

Hallo Herr Huebner, so richtig gelungen finde ich Ihre Geschäftsidee auch nicht. Selbst professionelle Adresshändler, die auf hunderten gut positionierter Webseiten Anfragen zu Versicherungen generieren, nur um sie als Lead vielleicht noch an den Höchstbietenden Versicherungsvermittler zu verschachern, erzielen nur 100 bis 200 EUR für einen Datensatz zur Personenversicherung. Ein Tippgeber darf sicherlich nicht mehr leisten. Wenn Ihnen selbst Ihre Dienstleistung auch nicht mehr wert erscheint, als das, was Sie für die Weitergabe einer Adresse freiwillig zahlen, muss es Ihren Kunden schon ziemlich piep-egal sein, welche Versicherung sie bei wem abschließen. Wenn wir einmal aber so weit sind, dass es für die Tankfüllung Bezin das Auto gleich dazu gibt, werden vielleicht auch Versicherungskunden (direkt) Geld dafür bekommen, dass sie Versicherungen abschließen…

Christoph Huebner  |   11. Mai 2011 um 16:48 Uhr

Vielen Dank für die Antwort, Herr Helberg. Mit Ihrer Schlussfolgerung liegen Sie sicher nicht falsch, denn wir sind uns vermutlich einig, dass das Ende des Provisionsabgabeverbots in Deutschland nur noch eine Frage der Zeit ist. Europarecht steht dem entgegen und der Drang nach weiterer Liberalisierung des Wettbewerbs ebenfalls. Die Kunden sind gern bereit, für gute Leistung angemessene Preise zu bezahlen. Doch wollen sie eben auch genau wissen, wofür sie wie viel bezahlen. Transparenten Modellen wie dem unseren oder dem der Honorarberatung gehört die Zukunft.

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