Die Zeitschrift „Das Investment“ meldet heute, am 18.01.2011, dass Tchibo den Vertrieb von Versicherungen des Direktversicherers Asstel bereits zum Jahresende 2010 aufgegeben hat. Auf den Webseiten von Tchibo wurden auch keine entsprechenden Angebote mehr gefunden.
Während die Zeitschrift Finanztest gern die Versicherungs-Angebote von Tchibo Verbrauchern empfahl, bemängelten Branchen-Insider, dass in der Empfehlungskette Finanztest -> Tchibo -> Asstel niemand dem Verbraucher eine Beratung schuldete. Daher konnten Verbraucher auch niemanden wegen einer eventuellen Falschberatung haftbar machen – denn Tchibo selbst war und ist aktuell nicht als Versicherungsvermittler im Vermittlerregister eingetragen. Das müsste aber gegeben sein, denn die Versicherungsvermittlung ist zwischenzeitlich eine erlaubnispflichtige Tätigkeit. Tchibo hingegen hatte sich auf die Position zurückgezogen, selbst gar keine Versicherungen zu vermitteln, sondern nur als ‚Tippgeber‘ zu fungieren – dafür ist keine Erlaubnis notwendig. Ein Direktversicherer wie Asstel wiederum ist nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) auch nicht zur Beratung seiner Kunden verpflichtet – und Finanztest haftet nicht für Empfehlungen.
Darüber, dass also Verbraucher, die dieser Empfehlung von Finanztest folgen, keinerlei Beratung erwarten und erhalten konnten und im Zweifelsfall in Beweisnot geraten, hat die Zeitschrift der Stiftung Warentest meines Wissens niemals aufgeklärt. Unser Berufsverband IGVM e.V. titetelte bereits in 2009 Wenn Verbraucherschützer vor Verbrauchern schützen. Ein anderer Berufsverband (AfW) hatte sogar Klage gegen Tchibo erhoben, die nach einem Urteil gegen Tchibo nun in der Revision vor dem BGH Korrektur: OLG Hamburg, Az.: 5 U 79/10, zur Entscheidung ansteht. Ob es wohl nun noch zu dieser Entscheidung kommt?
Meine Meinung: Die Absicherung existenzbedrohender Risiken gehört in die Hand von Fachleuten mit entsprechendem Know How – und nicht in die Hände von Kaffeeröstern, Gemischtwarenhändlern, Apotheken und Discountern. Versicherungen sind keine Waschmaschinen.
Lesen Sie hier die Pressemitteilung aus dem Verlag markt intern zu diesem Thema.
Nachtrag vom 21.02.2013 Pressemitteilung vom markt intern Verlag: „Illegale Versicherungsvermittlung: Tchibo zieht vor den Bundesgerichtshof“
>>> Vielmehr trete Tchibo durch Verwendung von Begriffen wie „Tchibogünstig, Tchibofair“ eben nicht als „neutrale Werbefläche“ auf, sondern die Gestaltung zeige „nach Auffassung des Senats unmissverständlich, dass sich die Beklagte keineswegs auf die Rolle eines ‚Tippgebers‘ beschränkt oder Abschlussmöglichkeiten nur ‚namhaft‘ macht, sondern potentielle Interessenten so lange wie möglich in ihrem (vermeintlichen) Internetauftritt hält, für den sie bei diesen Interessenten besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, um sie den Nebenintervenienten [Asstel, Anm. der Red.] sodann ‚nahtlos‘ zum Vertragsschluss zuzuleiten“. Ob Tchibo nur Werbefläche sein und sich selbst nicht als Vermittler betätigen wolle, spiele nach Auffassung des OLG keine Rolle, denn „entscheidend ist vielmehr, ob tatsächlich aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise eine derartige Rolle“ eingenommen wird. Erschwerend erbrachte das Verfahren, dass Tchibo „zusätzlich zu einer weiteren Vergütung nach ‚Klicks‘ auch eine ‚Vergütung nach Vertragsabschlüssen‘ erhält“. Das belege „einmal mehr, dass es sich bei ihr auch nach dem Verständnis der Beteiligten gerade nicht lediglich um einen Tippgeber, sondern im Ergebnis um einen Versicherungsvermittler im klassischen Sinne handelt. Ansonsten wäre eine Knüpfung der Vergütung gerade an den Vertragsabschluss wenig verständlich.“ Dass Tchibo auf ihrer Webseite „potentielle Interessenten empfängt“, ihnen dort Angebote unterbreitet, dabei „besonderes Vertrauen in Anspruch“ nimmt und die Interessenten „zielgerichtet der Website der“ Asstel zuleitet, lässt den Senat schließen: „Deutlicher kann eine hinreichend bestimmte ‚Vorbereitung des Abschlusses eines Versicherungsvertrages‘ kaum ausfallen.“ <<<
Nachtrag vom 04.02.2013 zum Artikel „Tchibo gibt Vertrieb von Asstel Versicherungen auf „
Auch das zweite Urteil vor dem OLG Hamburg hatte Tchibo verloren. Wie nun das Onlinemagazin € am Sonntag meldet, geht der Kaffeeröster nun auch bis zum BGH. Dort soll unter dem Az. 408 O 95/09 endgültig darüber entschieden werden, ob Tchibo ohne Registrierung und ohne Erlaubnis Versicherungen vermittelt hat, oder ’nur‘ als Tippgeber tätig gewesen ist.
Kommentare zu diesem Beitrag
Hallo Herr Helberg,
so habe ich das noch nie gesehen, wie Sie das mit Tchibo beschreiben. Dank dafür!
Gruß
Jutta S.
Muss auch zugeben, dass mir einige Informationen neu sind, daher finde ich ihren Artikel sehr informativ. Vielen Dank dafür.
Hallo Matthias,
trotz IGVM – Mitgliedschaft (http://www.igvm.de) wäre mir das Urteil beinahe „durchgerutscht“. Insofern herzlichen Dank für das Ubdate.
Sehr interessanter Artikel. Einige dieser Informationen waren mir bis dato gar nicht bekannt.