Haben Sie schon einmal einen wöchentlich erscheinenden toll geschriebenen Newsletter erhalten, dessen Hauptinfo eines Tages ist, dass die Autorin es dieses mal leider einfach nicht geschafft hat, ihn zu erstellen? Nein? Dann haben Sie etwas verpasst. Mir fiel in diesem Moment wieder die Geschichte von Fitten ‚tias ein. Eine Geschichte, die es wahrlich wert ist, erzählt zu werden.
Die Geschichte stammt aus einer Bauernschaft in Niedersachsen, in der ich einige Jahre lebte. Dort, wo das erste Straßenfest vom ehemaligen Bürgermeister aus der guten Zeit, als man noch eine eigenständige Gemeinde war, eröffnet wurde. In dessen Rede nicht nur die Alteingesessenen herzlich begrüßt wurden, sondern auch die ‚Dazugezogenen‘. Und irgendwann wurde einem klar, dass damit diejenigen gemeint waren, die noch nicht mindestens 100 Jahre in der Bauernschaft wohnten. Eine Bauernschaft, in der der Briefträger stets Zeit für einen kleinen Plausch und die neuesten Infos hatte. Und wenn der einmal mehr als eine Stunde später kam, ahnte man, dass wohl einer der Nachbarn auf seiner Tour etwas zu feiern hatte. Gefeiert wurde gerne. Und geklönt, also erzählt. Und manchmal, wenn beides zusammen kam, an den besten Abenden, wurde die Geschichte von Fitten ‚tias erzählt.
Fragen Sie mich nicht, ob seine Geschichte wahr ist. Fragen Sie mich nicht, ob er wirklich Fitten hieß. “ ‚tias“ stand jedenfalls für die Abkürzung von Mattias. Vermute ich. Reiner Zufall im Übrigen.
Fitten ‚tias lebte jedenfalls in dieser Bauernschaft, vermutlich in den 1940er oder 1950er Jahren. Er war behindert. Zu der Zeit hieß das für viele Betroffene: Weggesperrt, vielleicht sogar versteckt werden. Und für einige wenige bedeutete es, irgendwie mit irgendeiner Aufgabe ausgestattet, akzeptiert und integriert zu sein. Fitten ‚tias Aufgabe war das Austragen des Kirchenboten in der Bauernschaft, dem einmal im Monat erscheinenden Kirchenblättchen der Gemeinde. Zu Fuß. Dieser Aufgabe widmete er sich mit größter Gewissenheit, Sorgfalt und Zuverlässigkeit: Zu Fuß von Hof zu Hof und die neuesten Kirchennachrichten verteilen. So war er bekannt, so wurde er erwartet, so war er integriert. So ging es jahrelang.
Nun war es eines Tages, an dem Fitten ‚tias den Kirchenboten verteilen sollte, so, dass das Wetter dermaßen saumäßig war, dass man wirklich nicht einmal einen Hund vor die Tür schicken mochte. Und auch keinen Fitten ‚tias. Nein, nicht bei dem Wetter. Fitten ‚tias wäre aber nicht er selbst gewesen, wenn er nicht von seinem Gewissen geplagt worden wäre: Schließlich wusste er nur zu genau, wie sehr er und der Kirchenbote auf den Höfen erwartet, bestimmt sogar ersehnt wurden. Es gab ja damals noch kein Internet, kein Fernsehen als Informationsquelle und auf den Höfen nicht einmal ein Telefon. Was muss das für Fitten ‚tias für eine schwierige Entscheidung gewesen sein: Gewissenhaft und zuverlässig bei schlimmsten Wetter von Hof zu Hof gehen, vielleicht die Gesundheit ruinieren, oder aber zu Hause bleiben, die Bauern vergeblich warten lassen und enttäuschen? Es gab ja ohne Internet und Telefon keine Möglichkeit, mal eben Bescheid zu sagen. Diese Abwägung muss wahrlich schlimm, vielleicht sogar höllisch gewesen sein für Fitten ‚tias.
Wie die Geschichte ausging? Er konnte wegen des Wetters den Kirchenboten wie gesagt nicht austragen. Und darüber auch nicht informieren. So entschloss sich Fitten ‚tias, trotz aller widriger Umstände loszugehen, von Hof zu Hof, um die Nachricht zu verbreiten, dass er heute – dieses eine mal – wegen des schlimmen Wetters auch beim besten Willen nicht kommen könne, den Kirchenboten bringe er dann ein andermal…
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Es gibt so viele schöne Geschichten, die es wert sind, erzählt, gehört und gelesen zu werden. Die Besten handeln gleichermaßen von menschlichen Stärken und menschlichen Schwächen. Schöne Geschichten während der Feiertage und zwischen den Jahren wünscht Ihnen
mit Herzlichen Grüßen
Matthias Helberg
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