Letzte Woche war ich beim Leben-Tag der Deutschen Rückversicherung in Düsseldorf eingeladen – und durfte dort mit einem Redebeitrag zum Thema Risikovoranfragen mitwirken. Eine besondere Gelegenheit, denn normalerweise haben Versicherungsmakler wenig direkten Kontakt zu Rückversicherern. Umso spannender war dieser Tag.

Rückversicherer?
Was ist ein Rückversicherer überhaupt? Da versichern sich „normale“ Versicherungsgesellschaften („Erstversicherer“), um sich selbst abzusichern. Ein Rückversicherer ist also ein Versicherer für Versicherer.
Am ehesten hören Sie als Versicherungskunde von einem Rückversicherer, wenn Sie sich mit hohen Summen z.B. gegen Berufsunfähigkeit oder für Ihr Leben absichern wollen. Dann bekommen Sie manchmal ein Schreiben, dass der Rückversicherer bestimmte Vorgaben macht, oder Ihre Daten an ihn übermittelt wurden.
Rückversicherer spielen eine große Rolle, wenn es um Leistungsmerkmale z.B. einer Risikolebensversicherung geht. Sie geben einen Rahmen vor, wie bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit Vorerkrankung entschieden werden kann und unterstützen die Anbieter auch bei Leistungsfällen.
Vor allem fließen bei den Rückversicherern aber die Daten vieler Versicherer aus Annahmeentscheidungen und Leistungsfällen zusammen. Dadurch erhalten sie einen besseren Überblick darüber, was machbar ist, aber auch, wo es Fehlentwicklungen gibt, und potenzielle Gefahren lauern.
Als Versicherungsmakler hat man nicht so ganz viel Berührungspunkte mit einem Rückversicherer. Umso interessanter ist es, wenn man von einem eingeladen wird. 🙂
Nachdem ich im letzten Jahr bei der Gen-Re war, war es dieses Jahr also die Deutsche Rück.
Der Leben-Tag der Deutschen Rück
Eigentlich waren es gleich zwei „Leben-Tage“: Am ersten Tag, bei dem es hauptsächlich um aktuarielle Themen ging, war ich nicht dabei und kann deswegen dazu nichts schreiben.
Das Programm des zweiten Tages hatte es jedenfalls in sich: Es ging um die Themen:
- Risikovoranfrage,
- Erfahrungen mit der Grundfähigkeitsversicherung,
- Neue Erkenntnisse zu psychischen Erkrankungen.
Auch die Location, die „Sturmfreie Bude“ in Düsseldorf, war interessant gewählt und bot einen schönen Ausblick, wie man auf dem Foto sieht.

Block 1: Risikovoranfragen
Im ersten Themenblock ging es also um Risikovoranfragen: Was wir vor beinahe 15 Jahren fest in unseren Beratungsalltag integriert haben, wenden nach und nach immer mehr Kolleginnen und Kollegen an. Allerdings in sehr unterschiedlicher Qualität und Ausprägung.
Viele BU-Anbieter stöhnen unter der stets steigenden Anzahl von Voranfragen – und dem Umstand, dass nur in wenigen Fällen eine Voranfrage auch zu einem Antrag führt. Die Deutsche Rück ließ dazu unterschiedliche Marktteilnehmer zu Wort kommen.
Philipp Wedekind von Franke & Bornberg
Philipp Wedekind schilderte die Herausforderungen der stetig wachsenden Anzahl von Voranfragen bei gleichzeitigem Mangel an Fachpersonal bei den Versicherern. Dieser Mangel würde sich noch erheblich verschärfen, da in den nächsten Jahren zahlreiche Mitarbeitende in Rente gingen. Stichwort demografischer Wandel.
Der Lösungsansatz von Franke & Bornberg lautet Digitalisierung. Als Anbieter von „VersDiagnose“, einem digitalen Risikoprüfungs-Tool, dürfte das niemanden überrascht haben.
Matthias Helberg als (eher untypischer) Vermittler
In meinem Vortrag beschrieb ich zunächst, warum Risikovoranfragen so einen erheblichen Stellenwert für Versicherungskunden bekommen haben: Weil niemand gern „die Katze im Sack“ kauft und die Versicherer sich sogar in der Beurteilung identischer Vorerkrankungen uneinig sind.
Anhand eines typischen „Helberg-Kunden“ stellte ich dar, warum rein digitale Lösungen für unsere Klientel (zumindest bis jetzt) keine Lösung sind.
Mein Fazit: Versicherer und Vermittler sollten die gegenseitigen Erwartungshaltungen besser kommunizieren. Und am besten auch Produkte bzw. Antragsverfahren entwickeln, bei denen sich Voranfragen erübrigen.
Michael Kowol (Baloise), Heike Hommel (Zurich) und Anja Vogt (ERGO) mit der Sicht der Risikoprüfer
In einem Talk-Format unter Moderierung von Jamil Sattler von der Deutschen Rück konnten gleich drei hochrangige Vertreter die Lage aus Sicht der Risikoprüfung schildern. Tenor: Man kommt an Risikovoranfragen nicht mehr vorbei, aber sie müssten besser handhabbar werden.
Einerseits setzt man ebenfalls auf Digitalisierung und erhofft sich in naher Zukunft Entlastung durch KI. Andererseits konnte man nachvollziehen, dass sich damit auch nicht alle Anfragen lösen lassen – so mein Eindruck.

Block 2: Grundfähigkeitsversicherung
Im zweiten Block stellten Dr. Karsten Filzmaier von we4 impact, Raffaele Altomonte von der Deutschen Rück, Oliver Röttgers von der DEVK und Thomas Bahr von der Alten Leipziger ihre Erfahrungen mit Leistungsfällen aus der Grundfähigkeitsversicherung vor.
Es wurde deutlich, dass es eine erhebliche Kluft zwischen der Erwartungshaltung der Versicherten gibt und dem Ausgang der Leistungsfälle.
Ich jedenfalls sah mich sehr bestätigt in meiner Einschätzung, dass man eine normale Grundfähigkeitsversicherung keinesfalls als Arbeitskraftabsicherung bewerben sollte. Diesbezüglich hatte Ende letzten Jahres auch der BGH einen deutlichen Hinweis gegeben.
Nicht nur bei mir hinterließen die Erfahrungsberichte ein ungutes Gefühl.
Block 3: Neue Erkenntnisse zu psychischen Vorerkrankungen
Die Psyche ist in der Berufsunfähigkeitsversicherung ein großes Thema:
- Einerseits stellen psychische Vorerkrankungen inzwischen die häufigste Ursache für Berufsunfähigkeit dar. Deswegen reagieren Versicherer sehr sensibel, wenn sie beim Abschluss als Vorerkrankung angegeben werden.
- Andererseits lässt sich als Versicherer schlecht Geld verdienen, wenn man einfach alle Antragsteller mit einer psychischen Vorerkrankung ablehnt.
Ljubomir Budalic, Kerstin Kühnert und Caroline Nithammer von der Deutschen Rück, sowie Dr. Fabian Sinowatz von der SCHÖN KLINIK Roseneck stellten die neuesten Erkenntnisse vor.
Ich fasse das mal so zusammen:
- Aktuelle Erkenntnisse zeigen, dass eine Psychotherapie bei bestimmten Diagnosen einen sehr positiven Einfluss auf die Gesundheit und auch langfristig auf die Arbeitsfähigkeit haben kann. Aber das ist nicht bei allen Diagnosen der Fall. Bis sich das in der Breite konkret in der Annahmeentscheidung der Versicherer auswirken wird, kann noch einige Zeit vergehen.
- Eventuell könnte es Anlässe geben, zu prüfen, ob auf eine beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung vereinbarte Ausschlussklausel verzichtet werden kann.
- Immer mehr Kinder und Jugendliche haben psychische Erkrankungen – und das auch immer früher. Häufige Ursachen sind Furcht vor Klimawandel und Kriegsangst. Aber auch schlicht wenig Zeit der Eltern für ihre Kinder kann sich negativ auswirken. Neue Gefahr stellen textbasierte KI-Chatbots dar, die bei manchen Kindern und Jugendlichen menschliche Kommunikation mehr und mehr ersetzen. 🙁
Mein Fazit zum Leben-Tag 2025 der Deutschen Rück
Es war eine insgesamt sehr spannende und gelungene Veranstaltung. Vielen Dank an die Deutsche Rück für die Organisation, die Einladung und den spannenden Austausch. Vor allem auch an Frank Schoenen, Jamil Sattler und Raffaele Altomonte. Es war mir eine Ehre, zur Veranstaltung beitragen zu dürfen.
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