Das Wichtigste im Überblick
Die Einstufung von Berufen in Berufsgruppen hat in der BU-Versicherung manche Kuriosität hervorgerufen.
Im Ergebnis wird die BU für manche akademische Berufe immer günstiger und für viele andere Berufe, vor allem handwerkliche, künstlerische, aber auch soziale Berufe nahezu unbezahlbar.
Die Versicherungsbranche selbst kann diese Fehlentwicklung nicht abstellen. Hier ist der Gesetzgeber gefordert.
Inhaltsverzeichnis
Die Geburtsstunde der Berufsgruppen
Versicherer, die eine Berufsunfähigkeitsversicherung anbieten, müssen kalkulieren, wie hoch das Risiko ist, das sie übernehmen sollen. Danach richtet sich dann (unter anderem) der Beitrag, den man als Kunde zahlen soll. Einen ganz erheblichen Einfluss darauf hat der Beruf, den man beim Abschluss des Vertrages ausübt.
Bis Ende der neunziger Jahre gab es nahezu nur eine Unterscheidung der Berufe: Überwiegend körperlich tätig, oder nicht. Dann kam ein Versicherer auf die Idee, er könne ja Angehörigen weniger gefährlicher Berufe das Ganze günstiger anbieten. Infolgedessen haben sich viele Kunden für diesen Anbieter mit den niedrigeren Beiträgen entschieden.
Die anderen Versicherer mussten nachziehen, wenn sie nicht nur Angehörige der als gefährlicher eingestuften Berufe versichern wollten. Das war die Geburtsstunde der Berufsgruppen. Diese Zeiten sind schon lange vorbei. Was geblieben ist: Es wird immer mehr unterschieden und die Berufe in immer mehr Berufsgruppen aufgeteilt. Also gibt es immer unterschiedlichere Beiträge für die gleiche Leistung.
Die Folge von immer mehr Differenzierung in Berufsgruppen
Diese Differenzierung in immer mehr Berufsgruppen führt dazu, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung für vermeintlich gefahrlose akademische Berufe tendenziell immer günstiger wird, während sie insbesondere für handwerkliche und soziale Berufe immer teurer wird.
Dazu ein Beispiel: Der Chirurg zahlt weniger als die Hälfte des Beitrages für seine Berufsunfähigkeitsversicherung als die Krankenschwester, die mit ihm im OP-Saal steht. Wohlgemerkt für die gleiche Absicherung.
Tabelle der unterschiedlichen Beitragshöhe für unterschiedliche Berufe
Hier finden Sie dazu unsere kleine Mustertabelle aus dem Artikel Berufsunfähigkeit Statistik: Die gefährlichsten Berufe. Alle Vorgaben sind gleich, einziger Unterschied ist der Beruf. Dargestellt sind die im Monat zu zahlenden Beiträge in Euro für eine Berufsunfähigkeitsversicherung in gleicher Höhe und mit gleicher Laufzeit.
Beruf | teuerster Anbieter | billigster Anbieter |
---|---|---|
Gerüstbauer | 425 (417) | 140 (162) |
Dachdecker | 455 (417) | 140 (162) |
Bergleute | 267 (417) | 132 (162) |
Pflasterer | 455 (424) | 140 (153) |
Fleischwarenhersteller | 361 (392) | 103 (139) |
Estrichleger | 365 (424) | 103 (139) |
Fliesenleger | 365 (424) | 103 (139) |
Zimmerer | 425 (417) | 137 (139) |
Maurer | 455 (417) | 103 (139) |
Stukkateure | 361 (417) | 135 (139) |
Sprengmeister | 257 (417) | 150 (206) |
Isolierer | 340 (392) | 135 (119) |
Bauhilfsarbeiter | 425 (424) | 140 (206) |
Bäcker | 361 (340) | 122 (139) |
Stauer | 315 (356) | 141 (153) |
Kapitäne | 305 (223) | 74 (58) |
Manager | 155 (239) | 47 (47) |
Architekten | 112 (143) | 32 (33) |
Vermessungsingenieure | 116 (143) | 32 (42) |
Apotheker | 115 (143) | 32 (33) |
Verbandsleiter | 244 (212) | 39 (42) |
Gießerei-Ingenieur | 155 (143) | 40 (42) |
Tierärzte | 113 (212) | 40 (45) |
Rechtsvertreter | 97 (143) | 35 (33) |
Fertigungsingenieure | 104 (143) | 35 (42) |
Chemiker | 97 (212) | 35 (33) |
Maschinenbauingenieur | 97 (143) | 32 (36) |
Physiker | 104 (145) | 36 (33) |
Berufsgruppen-Bingo – alles klar?
Wie absurd diese Unterscheidung zumindest bei einigen Anbietern geworden ist, zeigen wir mit ein paar Beispielen – hier aus dem Jahr 2014. Inzwischen sind einige dieser Patzer korrigiert worden.
Beispiel 1: Bankkauffrau / Finanzangestellte
Eine 30 Jahre alte Bankkauffrau hat einen Job mit nahezu 100 Prozent Bürotätigkeit in einer Bank. Sie will 1.500,- Euro BU-Rente bis zum voraussichtlichen Altersrentenbeginn mit 67 absichern.

Die gleiche Bankkauffrau übt die gleiche Tätigkeit mit 100 Prozent Bürotätigkeit aus. Sie wünscht sich die gleiche Absicherung – aber sie arbeitet nun beim Finanzamt und die Berufsbezeichnung lautet daher „Finanzangestellte“:

Ergebnis: Trotz gleicher Tätigkeit wird die Frau 3 Berufsgruppen schlechter eingestuft. Der zu zahlende Beitrag für die BU hat sich nahezu verdoppelt.
Beispiel 2: Versicherungsmakler / Versicherungsfachmann
Ein 30 jähriger selbstständiger Versicherungsmakler möchte für sich selbst 1.500 Euro BU-Rente bis zum Endalter 67 absichern. Mehr Angaben zur Tätigkeit sind nicht erforderlich:
Der gleiche Versicherungsmakler kommt auf die Idee, seinen Ausbildungsberuf „Versicherungsfachmann“ anzugeben. Beides ist allein für sich betrachtet eigentlich Unfug, denn es sagt überhaupt nichts darüber aus, ob da jemand überwiegend im Büro tätig ist, überwiegend im Außendienst, oder sich beides die Waage hält. Also „Versicherungsfachmann“ statt „Versicherungsmakler“ eingeben, keine weiteren Änderungen:
Ergebnis: Identische Tätigkeit – nur eine andere Berufsbezeichnung: Um 3 Berufsgruppen verbessert, der zu zahlender Beitrag ist mehr als halbiert.
Beispiel 3 für Berufsgruppen-Bingo: Techniker Hochbau / Techniker – Hochbau
Auf dieses Beispiel für Berufsgruppen-Bingo hat uns der Kollege Gert Kemnitz aufmerksam gemacht – schönen Dank dafür! Wir lassen alles Drumherum weg. Zwei Berechnungen, zwei unterschiedliche Berufsgruppen, zwei unterschiedliche Beiträge – nur wodurch verursacht?
Ergebnis: Ein Bindestrich zwischen „Techniker“ und „Hochbau“ führt zu einer besseren Berufsgruppe und spart in diesem Beispiel 80,90 Euro – pro Monat.

Fazit Berufsgruppen-Bingo
Die Differenzierung in zahlreiche Berufsgruppen ist inzwischen in Absurdistan angekommen. Einige Versicherer wissen ganz offensichtlich nicht mehr, was sie da tun. Berufsgruppen-Bingo ist aber nicht lustig.
Diese Praxis führt in der Berufsunfähigkeitsversicherung zu nahezu unbezahlbaren Beiträgen für Handwerker, allgemein für körperlich Tätige und viele soziale Berufe. Warum sollte diesen Menschen eine Absicherung defacto verwehrt werden?
Hier handelt es sich eindeutig um eine Fehlentwicklung. Langfristig sollten Berufsgruppen wieder weitestgehend abgeschafft werden. Die Branche insgesamt muss diese Praxis ändern. In Kreisen des Verbraucherschutzes wird bereits eine entsprechende gesetzliche Änderung diskutiert.
Weiterführende Links
- Welcher Beruf ist in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) versichert?
- Für wen ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll?